Wer mich kennt, weiß, dass ich im früheren Leben wohl mal sowas ähnliches wie ein Reiseführer gewesen sein muss und sehr gern Menschen durch mir bekannte Orte führe – sei es meine Heimatstadt Quedlinburg, die als Weltkulturerbe viel zu bieten hat oder meine Studienstadt Magdeburg, die gern mal (und zwar vollkommen zu Unrecht) unterschätzt wird. In Hamburg, was ich als eine der schönsten Städte Deutschlands empfinde, klappt das inzwischen auch ganz gut – und nun hatte ich das erste Mal die Möglichkeit, jemand anderes diese kleine betuliche Stadt namens New York zu zeigen. Mein Kumpel Tony, den ich seit meinem ersten Semester in der Uni kenne, war für 5 Tage in der City (New Yorker nennen ihre Stadt übrigens immer nur „the city“, niemals New York oder NYC, daher ja auch der Name der berühmten Serie mit Sarah Jessica Parker) und wir haben bereits in den ersten beiden Tagen die wichtigsten Sehenswürdigkeiten geschafft.
Vieles sah ich zum zweiten Mal, was das ganze natürlich nicht minder eindrucksvoll machte sondern eher für eine Art Identifikationsgefühl sorgte, nach dem Motto: hier husche ich nicht nur mal kurz durch, hier bin ich jetzt (zumindest für kurze Zeit) Zuhause und das alles ist nun völlig normal. Zu jenem Gefühl mischte sich die ganzen Tage über ein weiteres – weniger schönes: das der Kälte. Es war mal wieder richtig kalt, bis zu -8 Grad am Tag und am Sonntag schneite es auch erneut. Doch das hinderte uns nicht an unserer Entdeckungstour durch Manhattan. Als Tony am Mittwoch ankam, holte ich ihn von der Penn Station in Midtown ab. Er landete in Newark, dem einzigen der drei New Yorker Flughäfen, der nicht in New York City liegt sondern in New Jersey. Mit dem Zug braucht man ca. 35 Minuten vom Airport bis nach Manhattan und zahlt 15$. Während der Wartezeit schlenderte ich durch die Penn Station (eine Abkürzung für Pennsylvania Station), die eine der ältesten Bahnhöfe New Yorks ist, jedoch vor einigen Jahren renoviert wurde und komplett unterirdisch direkt unter dem Madison Square Garden liegt. Zunächst fühlte ich mich ein wenig wie auf einem Flughafen, denn hunderte Leute stehen in einer Wartehalle und starren auf eine große Anzeigetafel – erst wenige Minuten vor dem Start des Zuges erfährt man, auf welchem Gleis man überhaupt abfährt und dann setzt sich die gesamte Meute in Bewegung – ein sehr eigenartiges System. Der Bahnhof ist jedoch aufgrund seiner Größe (der zweitgrößte New Yorks nach dem Grand Central) doch recht beeindruckend.
Ein bekanntes Gesicht zu sehen, war dann auch mal wieder ziemlich schön und die folgenden Tage waren doch sehr lustig. Am Mittwoch Abend waren wir noch im Shrine in Harlem, saßen mit Vermieter Kevin zusammen und schließlich in einer sehr großen Bar am Times Square – Lucie’s – die mit Stuck und barocken Säulen sowie Buntglasfenster und einer gefühlt 30 Meter langen Theke doch sehr eindrucksvoll war. Am Donnerstag gab es dann das Touri-Programm deluxe: World Trade Center, City Hall, Woolworth Building, 9/11 Memorial (alles in unmittelbarer Umgebung), Brooklyn Bridge, South Piers mit Blick auf Brooklyn und das Financial District, Wall Street, dann nach Midtown zum Rockefeller Center, Grand Central, Empire State Building, Flatiron, Waldorf Astoria, dessen prachtvolle Eingangshalle wir uns auch anschauten. Ich hatte so die Idee ganz am Ende meiner Reise hier im Blog mal alle Tipps und Must-Sees übersichtlich in einem Eintrag zusammenzufassen, falls dann jemand auch mal New York besuchen will. Zur Stärkung gingen wir in ein Hofbräuhaus mitten auf der Third Avenue (Höhe 45. Straße, nur 2 Blocks vom ZDF-Büro entfernt). Die jungen Damen im Dirndl waren zwar ganz nett, sind aber wohl nur Teilzeit-Bayern und verstehen dementsprechend kein Wort Deutsch und wissen auch nicht, was eine Maß ist. Ansonsten ist es dort aber doch sehr bayrisch und urig eingerichtet – es gibt eben nichts, was es in New York nicht gibt.
Und so gibt es auch ein sehr spezielles Restaurant in New York und einigen anderen amerikanischen Städten: Hooters. Eingerichtet wie eine Sportsbar kann man hier essen, Bier trinken und Sport schauen – das Besondere: das Personal ist ausschließlich weiblich, überdurchschnittlich attraktiv, trägt orangefarbene enge und tief ausgeschnittene Shirts und sehr kurze und enge Shorts – kann man durchaus machen. Da gerät es fast zur Nebensache, dass mein Grilled Cheese (eine in Amerika oft anzutreffende Brot-Variante mit geschmolzenem Käse) nicht unbedingt der beste war. Am Abend genossen wir dann noch ein wenig das New Yorker Nachtleben, bevor wir dann den Heimweg antraten – auf Dauer schafft das viele Rumlaufen in der Kälte dann doch.
Am Freitag ging es dann nach dem Mittag (was wir im „Sylvia’s Kitchen“ in Harlem zu uns nahmen – für mich Shrimps mit Black Eyed Peas (erbensförmige dunkle Bohnen) und Kartoffelsalat und für Tony die legendären BBQ-Rippchen) durch den Central Park, an der großen Eislaufbahn vorbei rüber zur Ostseite und der Fifth Avenue und ihren Nobel-Boutiquen. Da Tony gern die Freiheitsstatue aus nächster Nähe sehen wollte, kauften wir eine Fahrt mit dem Schiff für 30$ zur Liberty Island (ich bin ja bisher nur mit der Staten Island Ferry etwas weiter weg an ihr vorbeigefahren). Auf dem Schiff hatte man einen wunderbaren Blick auf die Südspitze Manhattans, den vereisten Hudson River, der voll mit Eisschollen war und auch einen schönen Ausblick auf Governors Island (eine weitere Insel, die leider nur im Sommer geöffnet ist) und Jersey City. Nach einiger Zeit wurde es durch den Wind jedoch fast unerträglich kalt auf dem Oberdeck des Schiffs, sodass wir Lady Liberty immer mehr herbeisehnten. Von nahem ist sie noch einmal viel beeindruckender, da sie über dem Hafen New Yorks thront und irgendwie so wirkt, als würde sie die Stadt beschützen – ein mächtiges Symbol für Freiheit und Macht zugleich, bekannt aus tausenden Filmen und Fotos – doch so nah ein ganz besonderer Moment.
Den Rückweg genossen wir dann im warmen Inneren des Schiffes und machten uns auf den Weg zu Artichoke – einer der legendären Pizza-Läden in New York und einer der wenigen ganz berühmten, die neben dem eigentlichen Restaurant auch ein Slice-Service, also ein Stück zum Mitnehmen anbieten. Dieses Pizzastück war relativ groß und kostete 4,50$, ich entschied mich für den Klassiker, die Artichoke-Pizza. Diese ist nicht klassisch italienisch sondern eher american style, also mit einem sehr dicken Boden und sehr viel Sahne und Creme Fraiche, dazu wie der Name schon sagt Artischocken – sehr zart und ausgewogen, allerdings kann sie für mich nicht mit der Patsys-Pizza mithalten, was vielleicht aber auch daran liegt, dass ich den italienischen flachen Teig lieber mag. Die Pizzeria liegt in einem sehr schönen Viertel New Yorks – dem East Village, das vor allem mit wunderschöner Architektur, kleinen ruhigen Nebenstraßen und vielen Galerien punktet. Um die Zeit zu überbrücken, tranken wir noch ein Bier in einer typisch amerikanischen Bar und gingen dann zum Madison Square Garden. Da Tony die „most famous arena“ – wie sie sich selber nennt – unbedingt mal von innen sehen wollte und die Karten für Eishockey oder Basketball doch recht teuer war, gingen wir einfach zum Wrestling – an diesem Abend fand die sogenannte WWE Hulk Hogan Appreciation Night statt. Wrestling war vor ca. 15 Jahren in Deutschland ja recht beliebt und ist – was ich wirklich nicht erahnt habe – in den USA immer noch ein absoluter Publikumsrenner. Die Arena war stoppevoll, 20.000 Menschen kamen an diesem Abend, um den legendären Hulk Hogan, dessen Karriere hier vor 30 Jahren begann, zu ehren und ihn und viele alte Weggefährten wie Rick Flair zu sehen. Was mich wirklich überraschte war, dass die Halle voll mit Kindern war. Richtig viele Familien brachten ihre Kleinen (teilweise vielleicht um die 6 Jahre) mit und hatten Dutzende Utensilien wie selbstgebastelte Pappen oder Gürtel dabei – für eine doch recht brutale Sportart doch sehr obskur – aber eben typisch Amis. Ob es sich beim Wrestling überhaupt um Sport handelt, lässt sich ja diskutieren, da bereits vorher alle Ergebnisse feststehen und niemand wirklich verletzt wird (zumindest nicht absichtlich) – es geht um die reine Show und die Unterhaltung des Publikums. Und wie ich hier ja schon mehrfach erwähnte, lassen sich die Amerikaner äußerst schnell beeindrucken, was für eine sagenhafte Stimmung im Garden sorgte. Die Leute schrien, sangen, feuerten an und buhten – immer passend zu den Kämpfern, die abwechselnd das gute Klischee bedienten und demenstprechend gefeiert worden oder eben die bad guys waren und New York und die Yankees oder die Knicks beleidigten. Die Kämpfe waren dann doch recht amüsant und es war vor allem interessant zu beobachten, wie ernst das Publikum das doch alles nahm und völlig bei der Sache war. Nach 2 Stunden Showkämpfen kam dann der Altmeister Hogan mit einigen anderen Weggefährten in den Ring und ließ sich ausgiebig feiern – es gab Sprechgesänge und Standing Ovations und Hogan bekam vom Madison Square Garden eine große Fahne, die an die Decke der Arena gezogen wurde und dort ab sofort neben den Fahnen mit den größten Erfolgen der New York Rangers (Eishockey) und New York Knicks (Basketball) hängen wird – spektakulär.
Am Samstag schlenderten wir ein wenig durch Manhattan, waren am Times Square und Tony besichtigte dann das Empire State Building von oben – da ich ja bereits New York aus der Vogelperspektive gesehen habe, verzichtete ich darauf und fuhr nach Hause. Doch hier noch ein Tipp, den er mir hinterher gab: sich vorher unbedingt im Internet schlau machen, denn sonst wird einem eine Karte für 60$ verkauft, in der ein Film in einem kleinen 3D-Kino im ESB mit drin ist (ein Hubschrauberflug über Manhattan). Am Abend wollten wir dann auf eine Party gehen und vorher das übliche Vortrink-Ritual begehen. Dieses ist wohl ziemlich deutsch bzw. europäisch, wie ich herausgefunden habe – Amis schätzen ihre After-Work-Drinks und treffen sich lieber in einer Bar oder direkt auf der Party. Wie dem auch sei, wir kauften ein Sixpack Bier im Supermarkt und wollten noch eine Flasche Rum, um ein paar Cuba Libre zu mixen, doch die gibt es hier nicht so einfach im Supermarkt oder Deli zu kaufen. Die USA sind sehr streng, was Alkoholgesetze angeht. Trinken darf man erst ab 21 Jahren (egal wie viel Prozent), in der Öffentlichkeit ist der Alkoholkonsum strengstens verboten und in New York sollte man selbst mit den berühmten braunen Tüten um die Flasche herum aufpassen – vor der Haustür ist das wohl ok, aber durch die Straße laufen oder auf viel frequentierten Plätze sollte man das nicht machen, sonst gibt es Ärger mit den Cops. Dementsprechend bekommt man jegliche Spirituosen und Wein auch nur in „Liquor Stores“. Einen davon gibt es hier in Harlem direkt um die Ecke, den wir uns dann mal anschauten. Man betritt den Laden und ist von mehren Glasscheiben umgeben. Die nächste Tür zum eigentlichen Laden öffnet sich aber nicht – da geht’s nicht durch, man darf nur durch die Scheiben gucken oder muss dem Kassierer sagen, was man haben möchte. Man kann es aber auch übertreiben. Die Flasche Bacardi kostete 17$, also ca. 14 Euro und damit nicht viel mehr als in Deutschland. Die dazugehörigen Limetten haben wir vorher bereits im Supermarkt besorgt – auch äußerst günstig mit 1$ für 8 Stück, dazu noch sehr frisch und saftig. Da sieht man, dass Amerika eben in verschiedenen Klimazonen liegt und manche Produkte nicht erst eingeflogen werden müssen. Die eigentliche Party sollte uns eigentlich ins Liberty Theater führen, doch die Schlange dort war so lang, dass wir in den nahegelegenen Sky Room gingen – dank einer coolen App namens „Fever“, mit der man sich in der Party einchecken und 10$ pro Person zahlen musste, konnten wir dort die Schlange umgehen und mussten dann keinen Eintritt mehr bezahlen. Generell sind die Warteschlangen vor den Clubs vor allem am Wochenende sehr lang, zum Teil extra so gehalten, damit es voller aussieht. In vielen Discos in Manhattan (zumindest in den schickeren) sind die Türsteher sehr streng und lassen Frauen ohne High Heels oder Männer ohne Hemd gar nicht erst rein. So richtig voll wird es meistens zwischen 0 und 1 Uhr, doch auch davor ist schon einiges los – und hier kann ich nur das wiederholen, was ich hier schon mehrfach berichtet habe: zum einen sehen hier alle extrem gut aus und zum anderen wird sofort los getanzt, ohne dass erst 5 Drinks an der Bar bestellt werden müssen und die ersten sich langsam auf die Tanzfläche trauen, die Stimmung ist sehr ausgelassen und die Leute sehr offen – wieder einmal eine äußerst gelungene Party.
Da es am Sonntag den ganzen Tag extrem schneite und wir auch etwas erschöpft waren, gingen wir nur zum Äthiopier um die Ecke zum Essen und verbrachten den Rest des Tages Zuhause. Am Montag war dann bereits wieder der Arbeitsalltag an der Reihe und Tony flog sehr zufrieden und beeindruckt wieder zurück nach Berlin – eine tolle Zeit!
Auf Arbeit haben wir an einem sehr interessantem Kulturstück gearbeitet – das MoMA hat am Montag eine Retrospective über Wim Wenders eröffnet, den wir auch zum Interview bekommen haben. Außerdem haben wir lange um ein Interview mit Madonna gekämpft, die dann am Ende aber leider doch abgesagt hat – ihr neues Album scheint sich also auch ohne Interviews zu verkaufen…
Der hier vor einiger Zeit angekündigte Beitrag über den Handy-Truck vor einer Schule in Brooklyn lief inzwischen und kann sich hier angeschaut werden (ab Minute 9, nur noch bis Freitag Nacht online).
Bei Hooters am Madison Square Garden
Eislaufen im Central Park
Blick auf Downtown Manhattan vom Schiff zur Freiheitsstatue
Lady Liberty
Madison Square Garden zur WWE Night
Der Herr Henkel und meine Wenigkeit in der U-Bahn
Amtrak-Zug in der Penn Station